Die meisten von euch werden sich jetzt wahrscheinlich an den Kopf fassen. Wie kann man denn so einen Blödsinn erzählen? Wie soll Protein denn ein Spielverderber beim Muskelaufbau sein, wenn wir doch alle genau wissen, dass Muskeln aus Protein bestehen. Protein bzw. bestimmte Aminosäuren sind überhaupt erst Auslöser und Trigger für die Aktivität der Muskelproteinsynthese und plötzlich soll genau das der Spielverderber sein? Warum empfehlen dann all die Experten eine erhöhte Proteinzufuhr für Kraftsportler?
Keine Panik! Ganz so drastisch wie in der Überschrift dargestellt ist es nicht. Zumindest nicht von Beginn an! Denn natürlich benötigen wir Protein um Muskeln aufzubauen. Aus genau den Gründen, die im Abschnitt zuvor genannt wurden. Durch intensives Krafttraining steigt der Proteinbedarf an. Unter anderem aus dem Grund heraus, dass es durch die mechanische Belastung durch Training mit Gewichten über das aktuelle Niveau hinaus, zu einer „Zerstörung“ von Muskelgewebe kommt. Diese Zerstörungen müssen wieder kompensiert werden. Sie müssen repariert werden. Und da unser Organismus weit weg von „blöd“ ist, baut er direkt eine weitere Schicht Muskelgewebe auf, damit die gleiche Belastung beim nächsten Mal zu einer geringeren Zerstörung führt und im Laufe der Zeit dann zu einer Belastung wird, die gar keine Zerstörung mehr anrichten kann. Und dazu wird Protein benötigt.
Wann ist „viel“ gleich „zu viel“?
Das „Problem“ beginnt eigentlich erst, wenn der Proteinbedarf überschritten wird. Der Proteinbedarf ist die Menge an Protein, um in eine positive Proteinbilanz zu gelangen. Also in einen Zustand, in dem der Körper mehr Proteinstrukturen auf- als abbaut. Alles was darüber hinausgeht ist für den Muskelaufbau mehr oder weniger verschenkt. Denn es gibt Studien, die Zufuhrmengen von bis zu 4,4g Protein pro Kilogramm Körpergewicht untersucht haben. Teilweise sogar in einem Studiendesign in dem die Teilnehmer ihre Proteinzufuhr einfach verdoppelten, ohne dabei andere Nährstoffe zu reduzieren und im Vergleich zu der Kontrollgruppe dadurch plötzlich stark überkalorisch unterwegs waren. Mit dem Endresultat, dass die High Protein Gruppe keinerlei Vorteile für den Muskelaufbau hatte. Und diese Untersuchung wurde an trainierten Kraftsportlern durchgeführt! Sie besitzt also durchaus eine gewisse Aussagekraft bzw. Tendenz. Die High Protein Gruppe hatte trotz der erhöhten Kalorienzufuhr keine nennenswerten Veränderungen in der Körperzusammensetzung und hatten keinerlei Vorteile diesbezüglich gegenüber der Gruppe mit der Proteinmenge, die den täglichen Bedarf deckt!
Wie kann das sein?
Mit zunehmender Proteinzufuhr beginnt der Körper auch, Proteine einfach zu verbrennen. Sie stehen dann nicht mehr als Baustoff zur Verfügung. Außerdem besitzen Proteine eine sehr hohe nahrungsinduzierte thermogenetische Eigenschaft. Das bedeutet, ein nicht geringer Teil der über Protein zugeführten Energie wird schon wieder bei der Verstoffwechselung in Form von Wärme an die Umgebung abgegeben. Das ist natürlich Energie, die nun nicht mehr zum Muskelaufbau bereit steht. Dieser Effekt ist bei Proteinen deutlich höher als bei Kohlenhydraten und Fetten. Und diese „verlorene“ Energie fehlt natürlich später beim Muskelaufbau.
Und was bedeutet das nun für die Praxis?
Wer sich in einer Aufbauphase befindet, sollte nicht versuchen, übergroße Zusatzmengen an Protein zuzuführen. Denn nun könnte der Spielverderber-Trick einsetzen. Die bessere Alternative wäre zweifelsohne, den Proteingehalt im Rahmen des tatsächlichen Bedarfs zu halten und die restliche Energie die benötigt wird für den Muskelaufbau, in Form von Kohlenhydraten und Fetten zuzuführen. Außerdem sättigt Protein schnell und langanhaltend. Das wiederum führt zur Problematik, dass man vielleicht auch einfach unbewusst zu wenig isst.
Ganz anders sieht es natürlich aus, wenn man auf Diät ist. Denn dann kann man diese Effekte natürlich praktisch für sich nutzen. Erhöhte Thermogenese bedeutet, Energie geht für den Organismus verloren. Ein erhöhter „Output“ also. Gleichzeitig ist ein hemmender Effekt auf die Sättigung und den Appetit während einer Reduktionsdiät natürlich äußerst erwünscht. Entsprechend könnte es hier Sinn machen, die Proteinzufuhr über das normale Maß hinaus zu erhöhen.
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