Protein Timing ist eine weitverbreitete und von fast jedem Fitnesssportler bewusst oder unbewusst eingesetzte Praktik. Dabei handelt es sich in erster Linie um die zielgerichtete Proteinzufuhr, vor, während und/oder nach dem Training. Während dieser Zeiten soll eine Protein- oder Aminosäurenzufuhr die Muskelhypertrophie und die Kraftentwicklung unterstützen. Viele Befürworter dieser Strategie behaupten sogar, das Timing der Proteinzufuhr sei entscheidender als die tägliche Gesamtproteinzufuhr. Doch was ist wirklich dran?
Aminosäuren und die Proteinsynthese
Zur Steigerung der Proteinsyntheseaktivität sind maßgeblich die essentiellen Aminosäuren notwendig. Werden diese in einer Dosierung von 6g zugeführt, kommt es zu einer deutlichen Erhöhung des Proteinaufbaus. Werden diese Aminosäuren vor dem Training eingenommen scheint dieser Effekt einiger Studien nach sogar noch stärker auszufallen, verglichen mit der Zufuhr der gleichen Menge essentieller Aminosäuren nach dem Training.
Doch eine gesteigerte Proteinsynthese bedeutet nicht automatisch auch gleich eine Steigerung der Kraft oder Muskelmasse. Entsprechend stellt sich hier die Frage, ob das so genannte „Window of Opportunity“ tatsächlich existiert oder ob vielleicht andere Faktoren wichtiger als das Protein Timing sind?
Window of Opportunity
Das „Window of Opportunity“ wird im Bereich des Bodybuilding und Kraftsports häufig zur Sprache gebracht. Gemeint ist damit die Zeitspanne vor und nach dem Training, während der unbedingt Protein zugeführt werden sollte, um Trainingsanpassungen und Muskelhypertrophie zu unterstützen.
Eine neue Meta-Analyse zu diesem Thema untersuchte die Fragestellung, wie real das „Window of Opportunity“ nun tatsächlich ist? Hierfür wurden 23 randomisierte Studien zu diesem Thema untersucht und analysiert, bei der zumindest eine Gruppe 6g essentielle Aminosäuren innerhalb von weniger als einer Stunde vor oder nach dem Training erhalten hat und eine zweite Kontrollgruppe die mindestens zwei Stunden vor oder nach dem Training kein Protein zugeführt bekommen hatte.
Zudem musste sichergestellt werden, dass die jeweiligen Studien durch eine Trainingsintervention über mindestens sechs Wochen begleitet wurde, die auf hypertrophie spezifische Ergebnisse untersucht wurde.
Ergebnisse
Diese von Aragon und Schoenfeld durchgeführte Meta-Analyse ist die erste ihrer Art, die einen direkten Effekt des Protein Timings in Zusammenhang mit Hypertrophie oder Kraftsteigerungen bei Durchführung eines entsprechenden Trainingsprotokolls untersucht.
Die aktuelle Untersuchungslage legt nach der Auswertung dieser Meta-Analyse nahe, dass das Timing der Proteinzufuhr für optimierte Kraft- oder Muskelzuwächse scheinbar weitaus weniger entscheidend ist, als oftmals und bis dato vermutet. Sollte ein „Window of Opportunity“, während dem körperliche Anpassungen an Trainingsreize besonders effektiv und effizient ausfallen durch eine entsprechende Proteinzufuhr tatsächlich existieren, so ist zumindest davon auszugehen, dass dieser Zeitraum länger als jeweils zwei Stunden vor und nach dem Training zu sein scheint.
Sämtliche positiven Trainingsanpassungen in Form von Kraftsteigerungen oder Vergrößerung der Muskelmasse, scheinen lediglich auf eine Erhöhung der Gesamtproteinzufuhr zurückzuführen zu sein und weniger auf das temporäre Timing dieser Protein- oder Aminosäurenportionen.
Fazit für die praktische Anwendung
Proteine bleiben auch weiterhin wichtig für den Muskelaufbau. Keine Frage und ohne Wenn und Aber. Jedoch kann mit der Proteinzufuhr rund um die Trainingseinheiten scheinbar deutlich „lockerer“ umgegangen werden, als häufig gedacht. Die Aminosäurenzufuhr vor dem Training oder der Shake nach dem Training sind noch immer keine Fehler oder als „falsch“ abzuhandeln. Wer jedoch unmittelbar nach dem Training weder Shake noch Nahrung hinunter bekommt oder verträgt oder schlichtweg keinen Zugriff auf Protein hat, muss sich nicht weiter Sorgen machen, wenn die Proteinzufuhr etwas zeitversetzt stattfindet. Solange die Gesamtproteinzufuhr über den Tag verteilt passt, werden sich keine signifikanten Unterschiede in Sachen Kraft- und Körperentwicklung ergeben, verglichen mit einer unmittelbaren Proteinzufuhr rund um die Trainingseinheiten.
Es ist also nicht mehr notwendig, wie vielleicht häufig beobachtet, dass Trainierende nach dem Training förmlich in die Kabine oder zur Theke stürmen um die Proteinzufuhr sicherzustellen. Ernährung zum Muskelaufbau und Fettabbau scheint also wesentlich unkomplizierter zu sein als viele vielleicht denken.
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